Was heute zählt, ist, dass sie nicht untergehen, wie das Beispiel der Schweiz aufzeigt. Es waren in Basel die Firma Music Hug, in Zürich der Sockenhändler Fogal oder der Herrenausrüster Bovet. Die grossen Umwälzungen im schweizerischen Einzelhandel betreffen nun auch mittlere und grosse Ausrüster. Mit anderen Worten, die Geschäfte, deren Auslagen das Image bestimmen und deren Kundinnen und Kunden den Alltag in den schweizerischen Zentren bestimmen.
Sempione Mode gab Ende März die Schliessung aller OVS-Filialen in der Schweiz bekannt. 1.200 Mitarbeiter werden entlassen und bis zu 140 Filialen verschwinden: Auf dem Weg von Melbourne nach Landquart, von Rene bis zum Stammhaus an der Sihlstrasse in Zürich. OVS war in der Schweiz eine fast unentdeckte Handelsmarke, bis Sempione die stolpernde Mode-Kette Charles Vögele uebernahm.
Der Absturz der OVS in der Schweiz ist mehr als ein Managementfehler und mehr als das Ergebnis vieler Fehlurteile. Das haben sie in Zürich begriffen. Es gibt mehr leere Geschäfte in der Innenstadt als in zehn Jahren: zehntausend qm. Grund dafür war eine Untersuchung, mit der die Stadtverwaltung beurteilen wollte, wie sich der Einzelhandel in Zürich entwickelt und was dies für die Stadtverwaltung bedeutet.
Früher wurde gesagt, dass ohne Landwirte die ganze Welt untergeht, heute ist es wahr, dass die Welt ohne sie untergeht. Auch der Einzelhandel leistet einen Beitrag zur gesellschaftlichen Auseinandersetzung in der City. Nur weil sie in einer Mini-Nische operieren und ihre Mode zum Ereignis machen, wie die Corsetière Beata Sievi in Winterthur, können sie sich durchsetzen. So können sich beispielsweise kleine Mode-Labels ein Geschäft in erstklassiger Wohnlage an der Zürcher Europastraße in unmittelbarer Nähe des Hauptbahnhofs erlauben.
Die Mode wird in Deutschland immer mehr zum billigen Produkt. Viele traditionelle Textileinzelhandelsketten ringen um ihr Fortbestehen, Discounter wie z. B. Prime ark, Niedrigpreisanbieter wie H&M und auf preisgünstige Waren wie TK Maxx spezialisierte Lieferanten gewinnen immer höhere Anteile. Wurden die Modepreise zur Jahresmitte 2000 noch von rund drei Vierteln der Verbraucher als prinzipiell zu hoch eingeschätzt, ist dieser Prozentsatz seither stark gesunken.
"Es deutet derzeit wenig darauf hin, dass sich der Triumphzug der Low-Cost-Anbieter nicht fortsetzt", sagt Axel Augustin von der Textile Trade Association. Grosse Low-Cost-Anbieter wie z. B. Prime oder H&M nutzen nicht nur ihre Kaufkraft und Finanzkraft. Weniger als acht Jahre sind vergangen, seit der erste Markt des irischen Textildiscounters Primeark in Deutschland eroffnet wurde.
Die Preisbrecherin mit Frauenkleidern für 5 EUR und Männerjeans für 10 EUR hat seither ihren Umsatz in Deutschland auf über 700 Mio. EUR gesteigert - zum Bedauern der arrivierten Firmen, so die Einschätzung der "Textilindustrie". Alleine in diesem Jahr sollen die 20 Märkte in Deutschland um fünf weitere ergänzt werden - davon einer in Hannover.
Ende 2007 wurde die erste Niederlassung in Deutschland eröffnet. Mehr als 700 Mio. EUR kommen heute schätzungsweise jedes Jahr in die Kasse von mehr als 90 TK-Maxx Märkten in Deutschland. Zwischen 2008 und 2015 hat H&M seinen Jahresumsatz von fast 2,5 auf über 4 Mrd. EUR gesteigert, so die "Textilwirtschaft".
Der Textil-Discounter Kik ist ebenfalls seit Jahren auf Wachstumskurs und will allein in diesem Jahr 70 neue Standorte in Deutschland errichten und bis zu 60 weitere von seinem Mitbewerber Charles Vögele uebernehmen. Die Kaufhof-Muttergesellschaft HBC will in diesem Jahr die ersten Niederlassungen ihrer Filiale "Saks Off 5th" in Deutschland errichten. In Deutschland sind 40 Wohnungen in Planung.