Geschätzte 20 bis 30 Prozentpunkte der Bevölkerung in Europa haben eine so genannte Fructose-Malabsorption - das Gegenstück zur Lactoseintoleranz: Das bedeutet, dass die Betreffenden Fructose nur in klar definierten Grenzen ertragen. Jeder, der jetzt denkt, dass er nur noch etwas weniger Früchte zu sich nehmen muss, dann werden die Magenkrämpfe verschwinden, hat sich geirrt. Weil Fruktose in einer fast unendlichen Speiseliste steht.
Mit Isoglucose oder Maissirup? Fruktose - Glukosesirup, eine Mischung aus Mais- oder Weißstärke, die in der Nahrungsmittelindustrie immer beliebter wird, kann all diese Namen tragen. Es gibt kaum einen Fruchtjogurt im Kühlregal, der keine Isoglucose ausmacht. Die Konsumenten sind in der Regel im Ungewissen - wie so oft, wenn es darum geht, Zuckerfalle in Nahrungsmitteln zu erkennen.
In den letzten Jahren hat sich ein gewinnbringender Absatzmarkt für lactose- und gluutenfreie Spezialprodukte etabliert, der zum einen den Betreffenden das tägliche Brot leichter macht und zum anderen über trendige Prägungen gesundheitsbewusste Käufer darauf aufmerksam macht, dass sie etwas Gutes für sich selbst tun können. Menschen, die hingegen auf den Einsatz von Diabetes verzichten wollen oder müssen, haben die größten Schwierigkeiten, das Passende für sich zu entdecken.
Der Grund dafür ist, dass in einem großen Teil der Verarbeitungserzeugnisse und oft in überraschend großen Konzentrationen ebenfalls viel gezuckert wird. "â??Der Sugar hat beim Konsumenten ein schlechtes Imageâ??, sagt Armin Valet, ErnÃ?hrungsexperte der Verbraucherstation Hamburg. "Im Falle verpackter Lebensmittel sind die Erzeuger dazu angehalten, alle im Zutatenverzeichnis aufgeführten Inhaltsstoffe in der Größenordnung ihres Gehalts im Enderzeugnis anzugeben.
Also, je mehr Kekse, Müsli oder Joghurt an Zuckern enthalten sind, umso höher sollte die Substanz "Zucker" an der Spitze sein. Aber es ist nicht so leicht, wie eine Marktuntersuchung der Verbraucherzentren mit dem Namen "Versteckspiel mit Zucker" von 2013 ausweist. Im ganzen Land hatten sie die in 276 Fertigprodukten verwendeten Süßstoffe geprüft.
In der Tat wird bei Weitem nicht nur Sucrose - der Klassiker unter den Haushaltszuckern - eingesetzt, sondern auch viele Süßstoffe, die vom Konsumenten nicht als Süßstoff empfunden werden, sondern die eine vergleichbare Wirkung auf den Organismus haben. Wenn dann mehrere Süßstoffe in einem Erzeugnis eingesetzt werden, schrumpft ihr individueller Anteil - und "Zucker" steht nicht mehr auf der Inhaltsverzeichnis.
Gelistet wurden Glukose-Fruktosesirup, Glukosesirup, Karamellzucker, Maltoxtrin, Laktose, Molkenprodukt, Molkenpulver, Kondensmilchpulver, Vollmilchpulver, Magermilchpulver, Glukose und gesüßte Konsummilch. So tauchte der Ausdruck "Zucker" laut Analytik "nur im Hintermittelfeld " der Inhaltsstoffliste mit einem Gesamtzuckergehalt von 45,4 pro 100 g auf. Allerdings zeigen ein Blick auf die Ernährungstabelle, die den Fettgehalt und den Anteil an Fetten, Kohlehydraten, einschließlich des Zuckers, und Proteinen auflistet, nicht das gesamte Jahr.
Daniela Krähl von der Konsumentenzentrale Bayern weist darauf hin, dass dort nur Einfach- und Doppelzucker in den Zuckerdaten zu berücksichtigen wären: "Wenn beispielsweise ein Glucosesirup auch dreifach oder vierfachzuckerhaltig ist, muss der Produzent sie nicht in die Auflistung aufnehmen. "So würden beispielsweise Geleebabys, die nahezu ausschließlich aus Vollzucker bestehen, nur 44% der Gesamtmenge ausmachen.
Übrigens ist der Zuckerumschlag im Bio-Bereich nicht transparent - im Gegensatz dazu, sagt Armin Valet, Verbraucherschutzbeauftragter in Hamburg: "Zucker wird in diesem Sektor als ein roter Faden angesehen. "Das " Tigersche Kinderketchup " von Rapunzel zum Beispiel werbt mit der Referenz auf der Trinkflasche "Ohne Zuckerzusatz - nur mit Apfelsirup gesüßt", ist aber dennoch nicht weniger als vergleichbare Produkte zuckerhaltig.
"â??Der Konsument hat oft die richtige Vorstellung: Bei Kariose oder Ã?bergewicht spielt es keine Rolle, ob ein Lebensmittel mit RÃ?benzucker, Apfelsirup oder auch Honig gesÃ?Ã?t wirdâ??, sagt Valet. "Erzeugnisse, die dafür wirbt, dass sie "nur Fruchtsüße" oder Agavensirup enthalten, können einen höheren Fruchtzuckergehalt aufweisen als vergleichbare Erzeugnisse.
Bei der Aufschrift "Ungesüßt" auf einem Lebensmittel gehen 70 Prozentpunkte der Konsumenten davon aus, dass kein weiterer Zusatz von Süßstoffen hinzugefügt wurde. Laut einer Studie der Universität Göttingen halten 53 Prozentpunkte der Teilnehmer nach wie vor "ohne Zuckerzusatz" für die richtige Wahl. Etwa 72 Prozentpunkte der Gefragten meinen außerdem, dass die ? ungesüßten? Erzeugnisse weniger Nährstoffe haben würden.
Obwohl Cappuccinopulver "ungesüßt" ist, enthält es immer noch 40 Prozentpunkte Restzucker, der aus dem Bestandteil Süßmolkepulver gewonnen wird. Ärztinnen und Ärztinnen sowie Ernährungswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler sind besorgt über diese absichtlich akzeptierte Verwechslung seitens der Konsumenten. "Wer die Verpackung versteht, muss über hohe Zuckerkenntnisse verfügen", sagt Ina Bergheim, Direktorin des Institutes für Ernährungswissenschaft an der Jenaer Uni.
"â??Beispielsweise bei Isoglucose Ã?ndert sich der Begriff je nachdem, wie hoch der Fruktosegehalt ist. Ich denke, es wäre vernünftiger, einen einheitlichen Namen und eine eindeutige Aussage über die Proportionen zu haben. Fruktose wurde lange Zeit als "natürliche Süße" und der beste Zuckersubstanz angesehen, da sie eine höhere Süßekraft hat als Traubenzucker und vermeintlich den Hormonspiegel nicht beeinflussen sollte.
Selbst wenn die Studiensituation nicht klar ist, weil moralische Bedenken und Verwerfungen einfach in jede ErnÃ?hrungsstudie am Menschen einflieÃ?en - es gibt immer mehr Belege dafür, dass die Zuckerkrankheit EntzÃ?ndungsprozesse im Körper auslöst und dass Fructose stÃ?rker wirkt als Traubenzucker. Deshalb rät die American Heart Vereinigung den Müttern, maximal sechs Esslöffel Zuckerzusatz pro Tag zu sich zu nehmen - Früchte und Gemüsesorten werden nicht gezählt, ansonsten aber alle Waren.
Einer der Gründe: In den USA wird der praxistaugliche Fruktose-Glukosesirup seit vielen Jahren nahezu überall und in hochkonzentrierter Weise in alkoholfreien Getränken und Nahrungsmitteln verwendet. Die Marktanteile liegen bei 50 vH. Aber auch ohne Zuschüsse ist Maissirup oder Isoglucose viel billiger zu produzieren als Hauszucker. Im Gegensatz zur Zuckerherstellung aus Zuckerrüben kann er das ganze Jahr über produziert, leicht transportiert und in Flüssignahrung und mit einer weichen Beschaffenheit wesentlich besser verarbeitet werden als kristalline Sucrose.
Allerdings beträgt der Anteil in Europa nur etwas unter fünf Prozentpunkten. Die EU-Quoten werden dann nicht nur für die Zuckerindustrie, sondern auch für die Isoglukoseindustrie sinken. Das ist keine gute Botschaft für die 20 bis 30 Prozentpunkte der Menschen in Europa, die anfällig für eine Malabsorption von Fruktose sind. Erschwerend kommt der Zuckerersatz Sorbit hinzu. 80 Prozentpunkte der Menschen mit Fructose-Malabsorption sind zugleich von einer Sorbit-Intoleranz betroffen.
Vor allem aber wäre es wichtig, Erzeugnisse, die Zucker und Süßstoffe enthalten, deutlich und leicht nachzuvollziehen, so die Forderung des Verbraucherschützers Armin Valet. "eDer Begriff des Zuckers muss umdefiniert werden, so wie die Konsumenten ihn deuten. Auch die Ampelkennzeichnung für Verarbeitungserzeugnisse muss wieder auf die Tagesordnung gesetzt werden. Wird der Konsument unterrichtet, so handelt er danach.